Rede am CSD Zurich von Nina Mühlemann und Suna Kircali

Liebe Queers! Liebe behinderte und chronisch kranke Queers, liebe spoonies, liebe crips, liebe gehörlose Queers liebe neurodivergente Queers, liebe Queers mit psychischen Behinderungen, liebe alljenige von euch die Ableismus erfahren und trotzdem unsicher sind ob sie sich zur Community zählen können,

Wir sind Nina und Suna, vom netzwerk avanti - feministisch. behindert. chronisch krank. Ehemalig avanti donne. Der Verein setzt sich seit 20 Jahren für die Gleichstellung ein und ist immer von FLINTA mit Behinderungen geleitet geworden. Unsere Geschäftsleitung und unser Präsidium wurde immer wieder von Menschen geführt, die queer und behindert waren - so wie wir beide!

Seit Jahrzehnten kämpfen wir queere Crips dafür, dass wir selbst über unsere eigenen Körper bestimmen können. Wir wollen bei medizinschen Untersuchungen um Konsent gefragt werden. Wir wollen selbst über medizinische Eingriffe an uns bestimmen, wie über unsere Körper geredet wird, welche Geschlechtsorgane wir haben oder ob wir Kinder wollen. Noch ist es aber Realität, dass wir oft gar keine gynäkologische Beratung finden, die barrierefrei ist und wo uns nicht mit Ableismus begegnet wird. Noch wird uns immer wieder das Recht auf selbstbestimmte Sexualität und selbstbestimmte Elternschaft oder Nicht-Elternschaft abgepsrochen. Noch sind Zwangssterilisationen an Menschen mit kognitiven Behinderungen und Zwangsoperationen an Intergeschlechtlichen Menschen in der Schweiz Realität. Noch ist Eugenik und Queerfeindlichkeit Realität.

Und das ist insbesondere auch mit der Macht der bürgerlichen Politik zu begründen. In der Schweiz insgesamt aber auch in der Stadt Zürich gibt es immer wieder laute beleidigende Worte, physische Übergriffe und diskriminierende Politik queeren Menschen mit Behinderungen gegenüber. So fordert die SVP z.B. das Gendersternchen abzuschaffen, mit der Begründung, dass es für Menschen mit geistigen Behinderungen nicht inklusiv sei. Ohne in diese Diskussion tatsächlich behinderte Menschen einzubeziehen, erst recht nicht kognitiv behinderte Menschen die trans oder nonbinär sind. Das ist ein Beispiel dafür, wie es die Bürgerlichen sich skrupellos erlauben die Identität "Behinderung" für ihre Ideologie und Kampagne zu instrumentalisieren, wenn es gerade so passt - nur um uns danach wieder zur Zielscheibe zu machen wenn es darum geht, Sozialleistungen abzubauen. Unsere Antwort darauf ist ein lautes Lachen - In der Stadt Zürich werdet ihr nie eine Mehrheit für diese Politik finden! Hättet ihr wohl gerne! 

Die bürgerliche Politik setzt auch in anderen behinderten und queeren Themen immer wieder gerne Diskriminierende und Exkludierende Narrative. Doch wir lassen uns davon nicht bremsen. Den wir sind viele queere crips. Und wir schaffen weiter unsere eigenen Narrative, unsere eigenen Räume, unsere eigenen Utopien und im Endeffekt unsere eigene Politik. Wir werden stärker und immer mehr, solange bis auch eine Mehrheit der Gesellschaft die Crip-Kultur einfach zu toll findet - because we fucking are!

Wir wollen für queere crips mehr Möglichkeiten des Zusammenlebens erschaffen. Die Ehe für Alle ist für viele behinderte Menschen zwar eine theoretische Öffnung aber in der Praxis leben viele in betreuten Institutionen und haben keine Perspektive auf Privatsphäre, einen selbstbestimmten Tagesablauf, mit der Partner*in zusammenzuziehen und zu heiraten. Für viele hiess es seit Kindheit "Du wirst nie heiraten" oder "du wirst keine Liebesbeziehung führen" oder gänzliches Schweigen darüber ob they überhaupt soetwas wie Attraktivität ausstrahlt. Als nicht-sexuelles oder nicht-romantisches Wesen gelesen zu werden zu werden ist für viele die Realität, sehr lange, zu lange. Wir lernen in unserer Gesellschaft, dass behinderte Menschen nicht anziehend sind. Bullshit!! Lernen wir um!!  Behinderte Menschen sind sexy, anziehend, heiss! Wir feiern krumme, schräge, vernarbte, lahme, rollende, kaputte, schmerzende Körper, und lieben schräge, zu laute, zu leise, traurige oder verwirrte Gemüter. Und wir wollen mehr davon. Schafft Zugänge für behinderte und chronisch kranke Menschen in queeren Spaces, baut Barrieren ab, hinterfragt euren Ableismus.

Mehr von Crip Spacetime in unserem Communities. Denn wir nehmen Raum und Zeit anderst wahr als nicht-behinderte Menschen. Was von aussen vielleicht aussieht wie eine reine gesellschaftlichen Einschränkung ist für uns selbst immer wieder auch mit einer eigenen Schönheit verbunden. wir geniessen Langsamkeit, und widersetzen uns dem Tempo, das der Kapitalismus vorgibt. Unsere reine Existenz in unseren Körpern und Gemütern ein Akt des Widerstandes gegen die Leistungssgesllschaft. Vielleicht weil wir müssen, nehmen wir uns Zeit. Viel viel viel Zeit. Viel zu Viel Zeit wenns nach dem Kapitalismus gehen würde. Wir nehmen uns Platz, schaffen füreinander Platz, warten aufeinander. Wir schaffen Räume mit Liegemöglichkeiten, Stimmtoys, Weichheit, Wärme und vielen anderen Dingen, die Access bedeuten können. 

Was wir uns wünschen, ist eine inklusivere Community. Eine, in der Masken, Rampen, Live-Stream oder Gebärdensprachdolmetschung nicht als Extraarbeit angesehen werden, sondern als Selbstverständlichkeit. Keine Pride für einige, sondern Rechte, Sicherheit und euphorische Erlebnisse für alle. 
Leider ist es so, dass ganz viele Menschen mit Behinderungen in einer Art Parallelgesellschaft leben, die durch Marktlogiken ständig reproduziert wird. Menschen mit Behinderungen werden leider auch in der Schweiz teilweise ausgebeutet. Es ist ein Privileg einer Arbeit nachzugehen, die angemessen bezahlt ist. Es ist ein Privileg, selber einen Ausbildungsweg auszusuchen und diesem nachgehen zu können. Es ist ein Privileg für eine Weile im Ausland leben zu können, den als IV-Bezüger*in ist das nicht  erlaubt. 

Wir wünschen uns eine Community und Kultur die sich darum bemüht, behinderte Menschen als wertvollen Teil der Gesellschaft zu behandeln. In der es selbstverständlich ist, mit Menschen, die aktivistisch vom Bett aus arbeiten, Banden zu bilden. In der klar ist, dass Zugänge nicht nur die Verantwortung derjenigen sind, die noch keine haben. In der mit chronisch kranken und behinderten Menschen gewählte Familien gegründet werden. In der intersektionale, crip-queere Wohnprojekte, Arbeitsprojekte oder Kunstprojekte gestartet werden.

Seid in Community mit uns. Heute Abend findet in der roten Fabrik eine Performance von Lila und Tallboy statt. Lila ist eine Queer Crip Artist aus Zürich! Wir freuen uns!

Und gerne wollen wir auch noch auf die Inklusionsinitative hinweisen. Diese soll die tatsächliche rechtliche Gleichstellung und Umsetzung der Recht von behinderten Menschen sicherstellen. Bitte unterschreibt und sammelt Unterschriften. Wir sind auf eure Mithilfe angewiesen <3

Und zuletzt unterzeichnet auch unsere Petition "Stopp Zwangssterilisation"einfach weil es fatal ist, dass in der Schweiz es gesetzlich erlaubt ist Menschen zu einer Sterilisation zuzwingen. 

Wir sind viele! Nichts über uns ohne uns! Queer, Crip und stolz darauf!

Foto von Suna und Nina auf einer Bühne während der Rede