Rede von Nina Mühlemann am 14. Juni 2023

Crips gegen das Patriarchat steht auf einem Protestschild geschrieben

Liebe FLINTAs, und insbesondere liebe behinderte und chronisch kranke FLINTAS, liebe spoonies, liebe crips, liebe gehörlose FLINTAS, liebe neurodivergente FLINTAs, liebe alljenige von euch die Ableismus erfahren und trotzdem unsicher sind ob sie sich zur Community zählen können,


Mein Name ist Nina Mühlemann und ich Teil von Netzwerk Avanti, feministisch, behindert, chronisch krank, ehemalig avanti donne, und ich freue mich heute zu euch sprechen zu dürfen.


Wir sind viele. 20 % der Schweizer Bevölkerung ist chronisch krank oder behindert. Und trotzdem müssen wir immer wieder dafür kämpfen, dass unsere Anliegen und Stimmen gehört werden, selbst in queerfeministischen Räumen. Für viele von uns ist es nach wie vor nicht safe, unter unmaskierte Menschenmassen zu gehen, oder es gibt andere Barrieren - viele von uns Leben in Einrichtungen, die selbstbestimmte Tagesabläufe erschweren oder verunmöglichen.


Auch FLINTA mit unsichtbaren chronischen körperlichen und/oder physischen Krankheiten fallen oft komplett durchs ganze System – sozial, beruflich, ökonomisch und kulturell verschwinden sie in der Unsichtbarkeit.


Deswegen sind wir auf euch alle, liebe FLINTAS, angewiesen, dass ihr unsere Anliegen mitträgt. Momentan läuft eine Initiative, die Inklusionsinitiative, welche die tatsächliche rechtliche Gleichstellung und Umsetzung der Recht von behinderten Menschen sicherstellen will. Bitte unterschreibt und sammelt Unterschriften. Feminismus, der Behindertenrechte, Migrationsrechte oder die Rechte von trans und inter Menschen nicht mitdenkt, ist kein Feminismus.


Care-Arbeit ist ein Behindertengleichstellungsthema: Menschen, die Assistenz brauchen, sollen diese selbstbestimmt beziehen können, und selber über ihre Wohnsituation entscheiden können. Und wir brauchen Gesetze und Leistungen, die Menschen, die Assistenz leisten, eine faire Entlöhnung  für ihre wichtige Arbeit zusichert.


Elternschaft ist ein Behindertengleichstellungsthema: Behinderte Eltern werden auch heute noch kaum vom Staat unterstützt, viel zu wenige Kitas, Kindergärten und Schulen sind barrierefrei oder arbeiten inklusiv, und wir behinderte Eltern sind gesellschaftlich kaum sichtbar und werden nicht mitgedacht.


Sexualisierte Gewalt ist ein Behindertengleichstellungsthema: Behinderte Menschen aller Geschlechter sind vulnerabler bezüglich sexualisierter Gewalt als nichtbehinderte Menschen, und häufig passiert diese Gewalt innerhalb von Abhängigkeitsverhältnissen und Care-Settings. Anlaufstellen sind häufig nicht barrierefrei.


Körperliche Autonomie und das Recht auf Elternschaft ist ein Behindertengleichstellungsthema: Noch immer gibt es in der Schweiz die Möglichkeit, ohne das Einverständnis der betroffenen Person Zwangssterilisationen an behinderten Menschen durchzuführen. Die ersten eugenisch oder rassistisch begründeten Zwangssterilisationen in Europa fanden um 1890 in der Schweiz statt, hier in  der Klinik Burghölzli in Zürich.


Feministische Themen sind Behindertengleichstellungsthemen.
Wir sind viele.
Nichts über uns ohne uns.
Kein Feminismus ohne uns.